Die Erde
Wähle, wo gesucht werden soll

Heuschreckenplage – Naturphänomen, Bedrohung und Herausforderung

Im November 2004 kam es im Südwesten Marokkos zu einem Befall durch Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria).
Im November 2004 kam es im Südwesten Marokkos zu einem Befall durch Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria).

In manchen Regionen der Welt genügt ein dunkler Schatten am Horizont, um ganze Landstriche in Angst zu versetzen – ein Zeichen dafür, dass eine Heuschreckenplage naht. Solche Schwärme können innerhalb von Stunden Felder leerfressen, Existenzen zerstören und ganze Volkswirtschaften an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Doch was genau macht diese Insekten so gefährlich? Um das Phänomen der Heuschreckenplage zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Biologie der Insekten, ihre Ursachen, ihre Geschichte und mögliche Gegenmaßnahmen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Heuschrecken überhaupt? – Biologie und Verhalten

Wüstenheuschrecke
Wüstenheuschrecke
by Andre Hoek is licensed under Creative Commons Attribution 1.0 Generic

Heuschrecken gehören zu den faszinierendsten, aber auch zu den zerstörerischsten Insekten unseres Planeten. Sie wirken auf den ersten Blick harmlos, doch unter bestimmten Bedingungen verwandeln sie sich in wandernde Fressmaschinen. Um zu verstehen, wie es dazu kommt, lohnt sich ein genauerer Blick auf ihre biologische Ausstattung, ihr Verhalten und ihre Verwandlungsfähigkeit.

Definition und Arten

Heuschrecken gehören zur Ordnung der Orthoptera. Diese lässt sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: Langfühlerschrecken (Ensifera) und Kurzfühlerschrecken (Caelifera). Zu letzterer Gruppe zählen die berüchtigten Plagegeister, darunter die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria), die weltweit am häufigsten für Plagen verantwortlich ist. Weitere relevante Arten sind die Rotflügelige Wanderheuschrecke (Nomadacris septemfasciata) und die Australische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria).

Die meisten Heuschrecken führen ein eher zurückgezogenes Dasein und stellen keine Bedrohung dar. Manche Arten verfügen jedoch über eine besondere Fähigkeit, die sie gefährlich macht: Sie können zwischen einem einzelgängerischen ("solitären") und einem geselligen ("gregären") Zustand wechseln. Dieser Übergang, auch Phasenpolyphenismus genannt, verändert ihr Verhalten, ihr Aussehen, ihre Gehirnstruktur und sogar ihre Farben.

Lebenszyklus und Fortpflanzung

Der Lebenszyklus der Heuschrecke ist einfach, aber hochgradig effizient und erklärt, warum ihre Population unter günstigen Bedingungen so rasant wachsen kann. Er beginnt mit der Eiablage, die meist nach Regenfällen in feuchtem Boden erfolgt. Ein Weibchen kann je nach Art zwischen 100 und 1.000 Eier ablegen, die es in mehreren Gelegen, sogenannten "Eipaketen", verteilt.

Nach dem Schlüpfen durchlaufen die Jungtiere (Nymphen) mehrere Häutungen – typischerweise fünf bis sieben –, bevor sie erwachsen sind. Dabei werden sie mit jeder Phase größer, gefräßiger und mobiler. Nymphen besitzen noch keine Flügel, bewegen sich aber in dichten Gruppen, sogenannten Hopperbands, fort. Diese ziehen wie mobile Fresskolonnen über das Land.

Wenn sie das Erwachsenenstadium erreichen, entwickeln sie voll funktionsfähige Flügel und können sich fortpflanzen. Innerhalb weniger Wochen kann sich eine Population verdoppeln oder sogar verdreifachen, insbesondere bei warmen, feuchten und nahrungsreichen Bedingungen. Ein ausgewachsenes Tier lebt in der Regel zwei bis fünf Monate – genug Zeit, um mehrere Generationen hervorzubringen, bevor die klimatischen Bedingungen wieder schlechter werden.

Schwarmverhalten und Wanderung

Das eigentliche Problem beginnt, wenn Heuschrecken ihre "gregäre Phase" aktivieren. In dieser Phase verändern sich Körperform, Farbe und Verhalten. Während solitäre Heuschrecken meist grünlich-braun sind und sich eher zurückhalten, sind gregäre leuchtend gelb-schwarz oder orange, aggressiv und stark auf soziale Interaktion ausgerichtet.

Der Mechanismus, der diesen Wandel auslöst, ist faszinierend: Physischer Kontakt, insbesondere das wiederholte Aneinanderreiben der Hinterbeine in dicht besiedelten Populationen, aktiviert bestimmte Neurotransmitter, allen voran Serotonin. Dieser chemische Impuls setzt den Prozess der Umwandlung in Gang.

Sobald sich Schwärme gebildet haben, bewegen sie sich in riesigen Formationen – sowohl am Boden als auch in der Luft. Flugfähige Schwärme können bis zu 150 Kilometer pro Tag zurücklegen und werden dabei von Windströmungen getragen. Dabei konsumieren sie alles, was ihnen in den Weg kommt: Getreide, Gemüse, Bäume, sogar Baumwolle und Tabakpflanzen. Ihr Appetit scheint grenzenlos zu sein.

Ein durchschnittlicher Schwarm mit 100 Millionen Tieren kann pro Tag etwa 35.000 Tonnen Pflanzenmaterial vernichten, was dem Tagesbedarf von 90.000 Menschen entspricht. Dabei gehen sie systematisch vor: Sie ziehen in Wellen über die Felder, lassen kein Blatt übrig und ziehen dann weiter.

Kommunikation und Schwarmdynamik

Interessanterweise kommunizieren Heuschrecken vor allem durch Vibrationssignale, Geräusche und chemische Stoffe (Pheromone) miteinander. Diese Signale spielen eine wichtige Rolle bei der Koordination von Bewegungen, der Partnersuche und der Erkennung von Artgenossen. In gregären Schwärmen helfen sie dabei, Richtung und Dichte des Schwarms zu regulieren, wodurch sich die Effizienz bei der Nahrungssuche weiter erhöht.

Ein weiterer Aspekt ist das sogenannte "Selbstverstärkungsprinzip": Je größer der Schwarm ist, desto mehr neue Tiere schließen sich ihm an. Dieser Effekt funktioniert wie ein rollender Schneeball. Sichtbare Schwärme wirken auf andere Tiere wie Magneten, die dadurch ebenfalls in den gregären Zustand wechseln. So entstehen aus vielen kleinen Gruppen gigantische Wanderplagen.

Überlebensfähige Anpassungskünstler

Heuschrecken haben sich perfekt an extreme Bedingungen angepasst. Sie können mehrere Wochen ohne Nahrung auskommen, sich schnell neue Lebensräume erschließen und bei Bedarf über ganze Kontinente hinwegfliegen. Ihre Fähigkeit, zwischen Einzelgänger- und Schwarmmodus zu wechseln, macht sie zu einem einzigartigen Beispiel für dynamisches Anpassungsverhalten in der Tierwelt.

Während viele Tiere auf feste Territorien angewiesen sind, sind Heuschrecken nomadische Überlebenskünstler, die sich ständig neu orientieren. Sie passen sich in Echtzeit an Umweltveränderungen an – und genau das macht sie so schwer zu kontrollieren.

Ursachen einer Heuschreckenplage

Ein Schwarm von Wanderheuschrecken (Süd-Madagaskar, 2014)
Ein Schwarm von Wanderheuschrecken (Süd-Madagaskar, 2014)
Ein Schwarm von Wanderheuschrecken (Süd-Madagaskar, 2014)

Heuschreckenplagen entstehen nicht zufällig. Sie sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Umweltfaktoren, menschlichem Einfluss und biologischen Mechanismen. Treten bestimmte Bedingungen auf – vor allem Klimaextreme, landwirtschaftliche Fehlentwicklungen und ökologische Ungleichgewichte –, kann es zu einer explosionsartigen Vermehrung der Heuschreckenpopulationen kommen. Das Verständnis dieser Ursachen ist entscheidend, um Plagen nicht nur zu bekämpfen, sondern auch künftig zu verhindern.

Klimatische Bedingungen: Regen macht Plage

Die wichtigste Voraussetzung für das Entstehen einer Plage ist Wasser. Heuschrecken sind zwar an trockene, wüstenartige Lebensräume angepasst, doch sie benötigen Feuchtigkeit, um sich zu vermehren. Nach ausgiebigen Regenfällen verwandeln sich ausgedörrte Böden in grüne Landschaften voller Vegetation. Genau diese Bedingungen sind ideal für die Eiablage und das schnelle Heranwachsen der Larven.

In Ostafrika begünstigte das Wetterphänomen "Indischer Ozean Dipol" beispielsweise in den Jahren 2019 und 2020 besonders starke Regenfälle – mit katastrophalen Folgen. Binnen weniger Wochen vervielfachte sich die Population der Wüstenheuschrecke. Die Tiere fanden Nahrung im Überfluss und genug Feuchtigkeit, um sich in Rekordzeit fortzupflanzen.

Ein weiteres Problem ist die Verkettung von Klimazonen. Wenn sich feuchte Luft über größere Flächen ausdehnt, entstehen zusammenhängende Brutgebiete. Diese können nicht mehr isoliert bekämpft werden. Auf diese Weise können sich nationale Probleme rasch zu regionalen Krisen entwickeln.

Landwirtschaftliche Veränderungen: Der Mensch als Mitverursacher

Die moderne Landwirtschaft spielt bei der Entstehung von Heuschreckenplagen eine doppelte Rolle: Einerseits wirkt sie wie ein Nährboden für die Insekten, andererseits schwächt sie die natürlichen Kontrollmechanismen.

In vielen Ländern Afrikas und Asiens setzt man auf große Monokulturen, beispielsweise Mais, Hirse oder Weizen. Diese Anbauformen bieten Heuschrecken ideale Fressflächen, da sie keine großen Distanzen zurücklegen müssen, um sich zu ernähren. Besonders problematisch ist es, wenn diese Flächen nicht abwechslungsreich genutzt oder saisonal brachliegen, da dies dem natürlichen Zyklus entgegenwirkt.

Ein weiteres Problem ist der Einsatz von Breitbandpestiziden, da diese nicht nur Schädlinge, sondern auch deren natürliche Feinde wie Spinnen, Vögel und Insekten, beispielsweise Laufkäfer, töten. Dadurch sinkt die biologische Kontrolle, während gleichzeitig der Selektionsdruck für Heuschrecken steigt. Nur die resistentesten Tiere überleben, was langfristig zu robusteren und schwerer bekämpfbaren Populationen führt.

Zudem führen Rodungen und großflächige Bodenversiegelungen dazu, dass natürliche Pufferzonen verschwinden, in denen sich Feuchtigkeit halten könnte oder in denen sich Feinde der Heuschrecke ansiedeln könnten.

Menschliche Eingriffe in Ökosysteme: Zerstörte Balance

Heuschrecken sind Teil des ökologischen Systems. Wenn dieses Gleichgewicht jedoch gestört wird, können sie zur Bedrohung werden. Der Mensch greift massiv in natürliche Kreisläufe ein, was oft unbeabsichtigte Folgen hat.

Ein Beispiel hierfür ist die Überweidung durch Viehherden, die in trockenen Regionen wie dem Sahelgürtel häufig vorkommt. Wenn die Weideflächen kahlgefressen sind, entsteht offenes, ungeschütztes Terrain, das ideal für die Eiablage ist. Gleichzeitig sterben Pflanzenarten aus, die für Heuschrecken als Nahrung ungeeignet wären und früher zur Regulation beitrugen.Auch die Entwässerung von Feuchtgebieten sowie das Trockenlegen von Überschwemmungsflächen beeinflussen das Vorkommen von Schädlingen. Während saisonale Wasserstände früher natürliche Barrieren bildeten, können sich Heuschrecken heute ungehindert ausbreiten.

Ein weiteres Problem ist die Zerstörung der natürlichen Feindpopulationen. Greifvögel, Eidechsen, Frösche und andere Insekten, die sich von Heuschreckenlarven oder -eiern ernähren, verschwinden zunehmend aus ihren Lebensräumen – häufig durch den Einsatz von Pestiziden, Urbanisierung oder Umweltverschmutzung.

Kettenreaktionen und systemische Risiken

Besonders gefährlich ist, dass diese Ursachen miteinander verknüpft sind. Ein extremes Wetterereignis führt zu mehr Vegetation. Diese wiederum ziehen Heuschrecken an. Monokulturen liefern ihnen Nahrung. Der Mangel an natürlichen Feinden lässt die Populationen der Heuschrecken ungehindert wachsen. Innerhalb weniger Wochen entsteht so eine dynamische Kettenreaktion, die kaum noch zu stoppen ist, sobald sie einmal in Gang gesetzt wurde.

Noch komplexer wird es, wenn mehrere Länder gleichzeitig betroffen sind. In solchen Momenten verlieren Grenzen ihre Bedeutung, doch oft fehlt es an grenzüberschreitender Kooperation und frühzeitiger Kommunikation zwischen den betroffenen Staaten.

Plagen sind menschengemacht – zumindest mitverursacht

Heuschrecken existieren seit über 250 Millionen Jahren. Plagen sind also kein neues Phänomen. Doch ihre Häufigkeit, Ausbreitung und Zerstörungskraft nehmen zu – und das ist kein Zufall, sondern das Resultat menschlicher Fehlentwicklungen.

Solange der Mensch Ökosysteme destabilisiert, dem Klimawandel Vorschub leistet und in der Landwirtschaft auf kurzfristige Erträge statt auf langfristige Nachhaltigkeit setzt, wird das Risiko von Heuschreckenplagen weiter steigen.

Historische Heuschreckenplagen – Rückblick auf Katastrophen

Heuschreckenplagen sind nichts Neues. Seit Jahrtausenden begleiten sie die Menschheit und haben in der Geschichte ganze Kulturen in die Knie gezwungen. Egal, ob sie als religiöses Strafgericht oder als reale Naturkatastrophe wahrgenommen werden – die Geschichten ähneln sich: Felder werden vernichtet, Hunger breitet sich aus und das soziale Gefüge gerät ins Wanken. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Bedrohung war nie nur symbolisch. Sie war und ist real – und wiederholt sich.

Biblische Plagen und historische Chroniken

Schon in der Antike galten Heuschrecken als Zeichen des Unheils. So heißt es im Alten Testament im Buch Exodus (Kapitel 10), dass Gott die Ägypter mit einer Heuschreckenplage heimsuchte: "Sie bedeckten die ganze Oberfläche des Landes, sodass das Land dunkel wurde. Und sie fraßen alles auf, was der Hagel übriggelassen hatte."

Diese Beschreibung ist keine Übertreibung. Solche Plagen führten in den frühen Agrargesellschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas regelmäßig zu Ernteverlusten, Hungerkrisen und Massensterben. Auch außerhalb religiöser Texte finden sich zahlreiche historische Berichte hierzu.

  • Im antiken Griechenland wurden Heuschreckenplagen als himmlische Strafen betrachtet. Man verbrannte Tiere als Opfer, um die Götter milde zu stimmen.

  • Römische Chronisten beschrieben „dunkle Wolken“, die tagelang über Provinzen zogen und „alles grün Verschlingende“ hinterließen.

  • Im Mittelalter wurden Heuschrecken nicht nur gefürchtet, sondern regelrecht verteufelt – als „teuflisches Ungeziefer“ mit dämonischer Macht.

Diese Sichtweisen zeugen davon, wie machtlos sich Menschen durch diese Tiere fühlten. Noch bevor sie wissenschaftlich verstanden wurden, galten sie als übernatürlich – und gleichzeitig als existenzielle Bedrohung.

Afrika, Naher Osten, Asien: Die größten Schwärme der Geschichte

In den letzten 150 Jahren wurden mehrere gewaltige Plagen dokumentiert, die selbst heutige Krisen in ihrem Ausmaß übertreffen. Besonders betroffen waren Regionen wie Ostafrika, der Horn von Afrika, die Arabische Halbinsel, der Iran, Pakistan und Indien.

Beispiel: Plage in Äthiopien (1958–1962)

Zwischen 1958 und 1962 kam es in [LINK]Äthiopien/ zu einer anhaltenden Heuschreckeninvasion. Große Teile des Hochlandes wurden kahlgefressen und Millionen Menschen litten unter Hunger. Die staatliche Infrastruktur war mit der Bekämpfung völlig überfordert. Es dauerte vier Jahre, bis die Lage wieder halbwegs unter Kontrolle war.

Beispiel: Südwestasien (1986–1989)

Ein weiterer massiver Ausbruch begann 1986 im Sudan und in Mauretanien und erreichte auf Umwegen [LINK]Indien[LINK] und Nepal. Ein Schwarm flog sogar über das Rote Meer nach Saudi-Arabien und fraß dort innerhalb weniger Stunden palmenreiche Oasen kahl. Die internationale Gemeinschaft musste in einem beispiellosen Kraftakt reagieren, der als Vorläufer der heutigen Koordinationsstrukturen gilt.

Jüngste Krise: Ostafrika 2020

Die bislang schlimmste Plage des 21. Jahrhunderts ereignete sich zwischen 2019 und 2021: Ausgelöst durch ungewöhnlich starke Regenfälle infolge des "Indischen Ozean-Dipols" entwickelten sich Schwärme, die in Kenia, Äthiopien, Somalia und Uganda katastrophale Schäden verursachten.

Ein einzelner Schwarm in Kenia war beispielsweise über 60 Kilometer lang und 40 Kilometer breit und fraß an einem Tag Nahrung, die 84 Millionen Menschen satt gemacht hätte. Satellitenbilder zeigten regelrechte Wellenbewegungen von Tiermassen, die sich über die Savannen bewegten. Die Landwirtschaft wurde flächendeckend verwüstet. Internationale Hilfsorganisationen mussten einschreiten.

Diese jüngste Krise zeigte erneut, wie schnell sich lokale Brutbedingungen zu einem regionalen Desaster auswachsen können – insbesondere, wenn Frühwarnsysteme versagen oder zu spät reagieren.

Die USA im 19. Jahrhundert – Die Rocky-Mountain-Heuschrecke

Viele Menschen verbinden Heuschreckenplagen nur mit Afrika oder Asien, doch auch Nordamerika hat seine Katastrophen erlebt. Im 19. Jahrhundert war die "Rocky Mountain Locust" (Melanoplus spretus) der Schrecken der amerikanischen Siedler. Zwischen 1873 und 1877 richtete sie in den Great Plains immense Schäden an.

Der "Albert's Swarm" von 1875

Diese Plage war so gewaltig, dass sie bis heute als der größte dokumentierte Heuschreckenschwarm der Menschheitsgeschichte gilt. Der Schwarm bedeckte Schätzungen zufolge eine Fläche von fast 500.000 Quadratkilometern – das ist größer als Deutschland und Frankreich zusammen.

Ein Zeitzeuge schrieb:
"Der Himmel war tagelang verdunkelt. Man hörte kein Vogelzwitschern mehr – nur das Rascheln der Flügel und das Knistern der vernichteten Felder."

Die Heuschrecken fraßen alles: Getreide, Obstbäume, Kleidung und die Holzgriffe von Werkzeugen. Ganze Farmen gingen zugrunde. Staaten wie Kansas und Nebraska riefen den Notstand aus. Die Folge waren massive Migrationsprobleme und der wirtschaftliche Ruin ganzer Gemeinden.

Interessanterweise verschwand diese spezielle Art in den folgenden Jahrzehnten spurlos und gilt heute als ausgestorben. Der Grund dafür ist unklar, könnte aber mit der massiven Veränderung ihres Brutgebiets durch menschliche Besiedlung zusammenhängen.

Lektionen aus der Geschichte

Was all diese historischen Fälle verbindet, ist die Kombination aus mangelnder Vorbereitung, extremen Umweltbedingungen und struktureller Schwäche. Oft trafen die Plagen Gesellschaften, die bereits durch politische Instabilität, wirtschaftliche Abhängigkeit von der Landwirtschaft oder eine schwache Infrastruktur gefährdet waren.

Heute stehen uns zwar bessere technologische Mittel zur Bekämpfung zur Verfügung, doch die Grundprobleme bleiben bestehen: Klimawandel, fragile Agrarsysteme und fehlende Kooperation. Wenn wir aus der Geschichte etwas lernen wollen, dann das: Plagen lassen sich nicht verhindern, indem man sie ignoriert. Sie lassen sich nur beherrschen, wenn man sie versteht und entsprechend vorbereitet ist.

Auswirkungen auf Landwirtschaft und Gesellschaft

Wenn ein Heuschreckenschwarm ein Gebiet erreicht, beschränkt sich der Schaden nicht nur auf die Pflanzen. Die Folgen ziehen sich durch die gesamte Gesellschaft – von der kleinbäuerlichen Existenz bis hin zur nationalen Wirtschaft. Was mit kahlgefressenen Feldern beginnt, mündet oft in Hunger, Armut, politischer Instabilität und Migration. Eine Heuschreckenplage ist deshalb nicht nur eine landwirtschaftliche Krise, sondern ein gesamtgesellschaftliches Risiko – insbesondere in Regionen, in denen die Menschen direkt von der Landwirtschaft abhängig sind.

Vernichtung von Ernten – Wenn der Boden nichts mehr hergibt

Der unmittelbarste und sichtbarste Schaden sind die Ernteverluste. So kann ein einziger Schwarm mit einer Fläche von einem Quadratkilometer etwa 35.000 Menschen an einem Tag die Nahrung wegfressen. In landwirtschaftlich geprägten Regionen bedeutet das, dass das gesamte Jahreseinkommen binnen Stunden zerstört ist.

Die zeitliche Koinzidenz ist besonders gefährlich: Schwärme erreichen die Felder oft genau dann, wenn die Ernte reif ist. Das bedeutet maximale Zerstörung bei minimaler Erholungszeit. Innerhalb weniger Tage können sie Getreide, Gemüse, Obstbäume und Futterpflanzen komplett vernichten – oft bis auf den letzten Halm. Auch nach dem Abzug der Schwärme bleiben die Böden geschädigt: Die Tiere zertrampeln Keimlinge, beschädigen Bewässerungsanlagen und hinterlassen tonnenweise Exkremente, in denen sich Krankheitserreger vermehren können.

Für Kleinbauern, die keinen Zugang zu Versicherungen oder Rücklagen haben, ist das existenzbedrohend. Oft müssen sie anschließend ihr Vieh verkaufen, ihre Kinder aus der Schule nehmen oder Schulden aufnehmen, was langfristige Konsequenzen für die gesamte Familie hat.

Wirtschaftliche Folgen – Ein Insektenschwarm als Milliardenproblem

Die Schäden gehen auf nationaler Ebene weit über den Agrarsektor hinaus. Heuschreckenplagen führen zu:

  • Preisanstieg bei Nahrungsmitteln: Wenn das Angebot sinkt, steigen die Preise. Für arme Haushalte werden Grundnahrungsmittel unerschwinglich.

  • Sinkende Exporteinnahmen: Länder, die von Agrarprodukten leben, verlieren wichtige Devisenquellen.

  • Steigende Staatsausgaben: Regierungen müssen in Notfallmaßnahmen, Subventionen und Lebensmittelimporte investieren.

  • Arbeitsplatzverluste: Wenn Felder brachliegen und Betriebe schließen, verlieren Millionen ihre Einkommensquelle – besonders in der informellen Landwirtschaft.

Ein Beispiel: Die FAO schätzte die wirtschaftlichen Schäden durch die Plage im Jahr 2020 in Ostafrika auf über 8,5 Milliarden US-Dollar allein durch den Verlust landwirtschaftlicher Produktion. Hinzu kommen die immensen Kosten für die Bekämpfung, beispielsweise für Pestizide, Flugzeugflüge und technische Ausrüstung. Staaten, die ohnehin verschuldet sind, geraten dadurch zusätzlich unter Druck.

Soziale Spannungen und Fluchtbewegungen – Wenn Hunger zu Konflikten führt

Wenn die Ernährungssicherheit zusammenbricht, sind soziale Unruhen meist nicht weit. Plagen verschärfen bestehende Konflikte, insbesondere in Regionen, in denen Wasserknappheit, Armut oder ethnische Spannungen herrschen. Konkurrieren mehrere Bevölkerungsgruppen um dieselben knappen Ressourcen, drohen Gewalt, Vertreibung und politische Instabilität.

Besonders betroffen sind Kinder und Frauen:

  • Kinder müssen häufig mithelfen, um Nahrung zu suchen oder auf Vieh aufzupassen, statt zur Schule zu gehen.

  • Frauen tragen oft die Hauptlast der Versorgung, haben aber weniger Zugang zu Hilfsleistungen oder Entscheidungsprozessen.

In Ländern wie Somalia, dem Südsudan oder dem Jemen wirken Heuschreckenplagen wie ein zusätzlicher Brandbeschleuniger auf bereits fragile Verhältnisse. Die Folge ist, dass Menschen ihre Dörfer verlassen, in Städte ziehen oder über Grenzen hinweg in benachbarte Länder flüchten. Damit wird aus einer agrarischen Krise eine geopolitische Herausforderung.

Psychologische und kulturelle Folgen – Angst, Traumata und Verlust

Heuschreckenplagen hinterlassen nicht nur sichtbare Schäden. In vielen betroffenen Regionen sind sie auch mit kollektiven Traumata verbunden. Für Menschen, die vom Landleben abhängig sind, ist der Anblick kahlgefressener Felder eine wirtschaftliche Katastrophe und ein emotionaler Schock zugleich. Der Stolz auf die eigene Arbeit, das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit – all das kann innerhalb weniger Stunden verloren gehen.

In vielen Kulturen gelten Heuschrecken bis heute als Vorzeichen von Unglück. Diese symbolische Aufladung kann die Angst verstärken und zu irrationalen Reaktionen führen, beispielsweise zur Ablehnung moderner Bekämpfungsmethoden oder zum Misstrauen gegenüber Behörden.

Langfristige Rückwirkungen – Die Plage endet nicht mit dem Schwarm

Auch nachdem die Heuschrecken weitergezogen sind, bleiben die Folgen bestehen. Die Böden müssen regeneriert, das Saatgut muss neu beschafft und die Bewässerungssysteme müssen repariert werden. Kinder, die während der Krise nicht zur Schule gegangen sind, kehren oft nicht zurück. Kreditschulden bleiben bestehen und viele Familien verarmen dauerhaft. Die wirtschaftliche Erholung kann Jahre dauern – wenn sie überhaupt gelingt.

Gleichzeitig können wiederholte Plagen dazu führen, dass ganze Regionen entvölkert oder dauerhaft instabil werden. Ohne langfristige Hilfe und resiliente Strukturen können Heuschreckenplagen eine Spirale aus Not, Flucht und Abhängigkeit auslösen.

Eine Heuschrecke frisst nicht nur Pflanzen – sie frisst Strukturen

Die Auswirkungen einer Heuschreckenplage sind nicht auf die Landwirtschaft beschränkt. Sie treffen ganze Volkswirtschaften, zerschlagen Existenzen und zersetzen das soziale Gefüge. Deshalb ist ein integrierter Ansatz erforderlich: präventiv, ökologisch durchdacht und sozial abgefedert. Denn eines ist sicher: Wer Heuschrecken nur mit Gift bekämpft, bekämpft nur das Symptom, nicht aber die Ursache oder die Wirkung.

Bekämpfungsstrategien – Was wird gegen Heuschrecken unternommen?

Die Bekämpfung von Heuschreckenplagen ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Je früher gehandelt wird, desto geringer fällt der Schaden aus. Die Herausforderung ist jedoch gewaltig: Schwärme können sich schnell ausbreiten, sind schwer vorherzusagen und bewegen sich oft in abgelegenen, schwer zugänglichen Regionen. Eine wirksame Kontrolle erfordert daher eine Kombination aus moderner Technologie, lokalen Ressourcen und internationaler Koordination, wobei ökologische, soziale und gesundheitliche Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Chemische Bekämpfung: Pestizide als erste Reaktion – mit Nebenwirkungen

Die häufigste und schnellste Methode zur Bekämpfung von Heuschrecken ist der Einsatz chemischer Insektizide, insbesondere von Organophosphaten wie Malathion oder Fenitrothion. Diese werden per Flugzeug, Drohne oder von Hand ausgebracht, entweder direkt auf die Schwärme oder in den Brutgebieten.

Vorteile:

  • Schnell wirksam bei großen Populationen

  • Flächendeckend einsetzbar

  • Gut steuerbar mit logistischer Unterstützung

Nachteile:

  • Umweltschäden: Breitbandpestizide töten auch Bienen, Schmetterlinge, Fische und andere Nicht-Zielorganismen.

  • Gesundheitsrisiken: Für Menschen – insbesondere Helfer in betroffenen Regionen – besteht Gefahr durch Einatmen oder Kontakt.

  • Resistenzbildung: Bei häufiger Anwendung kann es zu Resistenzen kommen, wodurch künftige Generationen schwieriger zu bekämpfen sind.

  • Wasser- und Bodenbelastung: Rückstände können ins Grundwasser gelangen und langfristige Schäden verursachen.

Trotz dieser Risiken ist der chemische Einsatz in akuten Krisensituationen oft die einzige Möglichkeit – insbesondere, wenn es darum geht, Ernten zu retten oder Hungersnöte abzuwenden

Biologische Ansätze und natürliche Feinde: Umweltfreundlich, aber nicht immer schnell genug

In den letzten Jahren rücken biologische Bekämpfungsmethoden zunehmend in den Fokus. Das Ziel besteht darin, die Schwärme auf natürliche Weise zu kontrollieren, ohne die Umwelt zu belasten.

Beispiel: Pilzbasierte Bioinsektizide

Der Pilz Metarhizium acridum ist ein natürlicher Feind von Heuschrecken. Wenn seine Sporen ausgebracht werden, infiziert er die Tiere von innen und tötet sie innerhalb weniger Tage. Produkte wie „Green Muscle” oder „Nosema locustae” wurden bereits erfolgreich getestet.

Vorteile:

  • Zielgenau und ungefährlich für andere Tierarten

  • Biologisch abbaubar

  • Keine Resistenzentwicklung bekannt

Nachteile:

  • Langsamere Wirkung (3–10 Tage)

  • Wetterabhängig (wirkt schlecht bei zu trockenem oder zu heißem Wetter)

  • Kostenintensiver in der Anwendung

  • Infrastrukturabhängig, da gekühlte Lagerung notwendig sein kann

Natürliche Feinde fördern

Eine andere Möglichkeit ist die Förderung von Heuschreckenfressern. Dazu zählen Vögel wie Reiher, Störche oder Ibisse, aber auch Reptilien, Spinnen und Käfer. In stabilen Ökosystemen wirken diese Tiere als natürliche Kontrollinstanz, sofern ihre Lebensräume erhalten bleiben.

Frühwarnsysteme und Satellitenüberwachung: Prävention statt Reaktion

Der effektivste Weg, eine Plage zu verhindern, ist das rechtzeitige Erkennen und Eingreifen, bevor sich ein Schwarm bildet.

Dank moderner Technologien ist dies heute besser möglich als je zuvor:

  • Satellitenbilder (z. B. von Copernicus oder NASA) zeigen Vegetationsveränderungen, Regenmuster und Bodenfeuchtigkeit – entscheidende Indikatoren für Brutbedingungen.

  • Drohnen und GPS-gestützte Trupps dokumentieren vor Ort die Lage und übermitteln Daten in Echtzeit.

  • KI-gestützte Modelle analysieren historische Daten und Wetterprognosen, um Risiko-Gebiete vorherzusagen.

  • Die FAO betreibt das System eLocust, das es Teams ermöglicht, über Tablets aktuelle Beobachtungen zentral zu melden und auszuwerten.

Vorteile:

  • Frühzeitige Lokalisierung von Brutgebieten

  • Besser planbare Bekämpfungsaktionen

  • Reduktion von Pestizideinsätzen durch gezielte Ausbringung

Herausforderungen:

  • Hohe technische Anforderungen in Regionen mit schlechter Infrastruktur

  • Datenqualität ist abhängig vom Einsatz vor Ort

  • Politische Instabilität kann den Zugang zu kritischen Gebieten blockieren

Internationale Zusammenarbeit: Eine Plage kennt keine Grenzen

Heuschrecken machen nicht an Landesgrenzen halt – deshalb kann keine Nation das Problem allein lösen. Internationale Kooperation ist entscheidend, um Plagen effektiv zu bekämpfen.

Zentrale Akteure:

  • FAO (UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation): Koordiniert Warnsysteme, Forschung und Nothilfen.

  • DLCO-EA (Desert Locust Control Organization for Eastern Africa): Ein regionaler Verbund zur Früherkennung und Reaktion.

  • Geberländer und NGOs: Stellen Mittel, Technologie und Fachwissen bereit.

Maßnahmen:

  • Gemeinsame Übungen und Schulungen

  • Austausch von Daten und Risikokarten

  • Finanzierung mobiler Bekämpfungsteams

  • Krisenfonds für schnelle Einsätze

Aber: Bürokratische Hürden, Misstrauen zwischen Staaten sowie fehlende politische Stabilität bremsen oft den Erfolg. Wenn betroffene Länder nicht offen kommunizieren oder frühzeitig warnen, kann sich ein lokales Problem schnell zu einer regionalen Katastrophe entwickeln.

Partizipation der lokalen Bevölkerung: Ohne sie geht nichts

Die Einbindung der lokalen Gemeinschaften ist ein oft unterschätzter, aber entscheidender Faktor. Bauern, Hirten und Dorfbewohner sind in der Regel die Ersten, die einen Schwarm entdecken – und somit die wichtigsten Frühwarnsensoren.

Programme zur Schulung und Sensibilisierung sind daher zentral:

  • Mobile Apps zur Schwarmmeldung per Foto und Standort

  • Trainings für Sprühteams und Feldbeobachter

  • Vertrauensaufbau, um Ängste gegenüber moderner Technik oder Biopestiziden abzubauen

Nur wenn die Menschen vor Ort mitmachen, kann die Bekämpfung langfristig erfolgreich sein – und zwar schnell, effizient und sozialverträglich.

Es gibt kein Allheilmittel – aber viele Werkzeuge

Die Bekämpfung von Heuschreckenplagen ist ein komplexes Unterfangen, für das es keine einfache Lösung gibt. Chemie allein reicht nicht aus. Biologische Methoden sind zu langsam. Technik allein ist zu sehr von der Infrastruktur abhängig. Nur durch die Kombination aller Methoden, die an die jeweilige Situation angepasst werden, lässt sich die Gefahr beherrschen.

Langfristig werden Frühwarnung, Prävention und systemische Resilienz den Schlüssel bilden. Denn jede abgewendete Plage schützt nicht nur Leben, Nahrungssicherheit und Stabilität, sondern spart auch Geld.

Klimawandel und die Zukunft der Heuschreckenplagen

Der Klimawandel beeinflusst nicht nur den Meeresspiegel, die Gletscher und Wetterextreme, sondern auch das Verhalten von Insekten. Ein wärmeres, feuchteres Klima bedeutet für Heuschrecken bessere Bedingungen zur Fortpflanzung und Ausbreitung. Die Folgen sind bereits spürbar: Plagen treten häufiger, intensiver und in bislang untypischen Regionen auf. Die Wissenschaft warnt: Wenn die globale Erderwärmung ungebremst fortschreitet, könnten Heuschreckenplagen zur neuen Normalität werden – mit massiven Folgen für die Ernährungssicherheit und die globale Stabilität.

Zunehmende Häufigkeit durch globale Erwärmung?

Heuschrecken sind Warmwetterinsekten. Sie gedeihen besonders gut bei Temperaturen zwischen 25 °C und 35 °C. Der Klimawandel sorgt nicht nur für höhere Durchschnittstemperaturen, sondern auch für eine Zunahme extremer Wetterereignisse, wie beispielsweise Starkregen nach Dürreperioden. Genau diese Abfolge ist der perfekte Nährboden für Plagen.

So funktioniert der Mechanismus:

  1. Dürrephasen vernichten Fressfeinde, reduzieren die Biodiversität und schaffen offenen Boden für Eiablagen.

  2. Ungewöhnlich starke Regenfälle bringen plötzlich Vegetation hervor – ein Festmahl für frisch geschlüpfte Nymphen.

  3. Hohe Temperaturen beschleunigen den Lebenszyklus: Aus Eiern werden in wenigen Wochen ausgewachsene Heuschrecken.

  4. Geringere Winterkälte führt dazu, dass mehr Eier und Tiere überleben als in früheren Jahrzehnten.

Ein Beispiel ist die verheerende Plage von 2020 in Ostafrika, die durch drei aufeinanderfolgende [LINK keyword="Zyklon"]Zyklone begünstigt wurde – ein bisher kaum beobachtetes Phänomen in dieser Region, das Forscher direkt mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Die außergewöhnlich feuchte Phase ermöglichte eine unkontrollierte Vermehrung über mehrere Generationen hinweg.

Risiko für neue Regionen – Plagen wandern mit dem Klima

Ein weiteres Problem ist, dass der Klimawandel ökologische Grenzen verschiebt. Regionen, die für Heuschrecken früher ungeeignet waren, beispielsweise aufgrund eines zu kühlen Klimas oder zu geringer Vegetation, könnten in Zukunft zu neuen Brut- und Schwarmgebieten werden.

Beobachtbare Entwicklungen:

  • Südliches Europa: Teile Spaniens, Italiens und Griechenlands melden in den letzten Jahren vermehrt Schwärme.

  • Zentralasien und der Kaukasus: Frühere Randzonen werden zunehmend Risikogebiete.

  • Lateinamerika: Argentinien, Bolivien und Paraguay erlebten 2020 eine Wanderheuschreckenplage, wie sie dort seit Jahrzehnten nicht auftrat.

  • Australien: Durch den „La Niña“-Effekt kam es zu ungewöhnlich intensiver Vegetation – mit lokal begrenzten, aber hartnäckigen Ausbrüchen.

Diese Verlagerung bringt neue Herausforderungen mit sich: In Regionen, die bislang als "sicher" galten, fehlen oft Infrastrukturen, Frühwarnsysteme und institutionelle Erfahrung.

Verstärkte globale Wechselwirkungen – Ein Problem vernetzt sich

Heuschreckenplagen sind zunehmend Teil größerer globaler Risikoketten. Treten sie gleichzeitig mit Dürren, Überschwemmungen oder Pandemien auf, potenzieren sich ihre Auswirkungen.

  • Corona und die Plage (2020): Während der Covid-19-Pandemie war es besonders schwierig, Bekämpfungsteams zu koordinieren, Lieferketten für Pestizide aufrechtzuerhalten oder internationale Helfer einzusetzen. Das zeigte: Plagen sind keine isolierten Naturereignisse, sondern multifaktorielle Krisen.

  • Ernährungssysteme unter Druck: Wenn Plagen in mehreren Ländern gleichzeitig auftreten, geraten globale Agrarmärkte ins Wanken – etwa durch Engpässe bei Exporten oder Preissprünge bei Grundnahrungsmitteln.

  • Migration und politische Spannungen: In fragilen Staaten können gleichzeitige Klima- und Insektenkrisen soziale Sprengkraft entwickeln – mit Folgen, die weit über die Region hinausreichen.

Forschung und Innovation – Wie Wissenschaft gegensteuert

Zahlreiche Forschungsinstitute arbeiten daran, die zukünftigen Risiken besser zu verstehen und neue Lösungen zu entwickeln:

  • Klimasimulationen und Insektenmodellierung: Universitäten und Institutionen wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung entwickeln Modelle, die Klimadaten mit dem Verhalten von Heuschrecken verknüpfen – um Hotspots frühzeitig zu erkennen.

  • Genetische Studien: Einige Forscher untersuchen, ob gezielte genetische Eingriffe oder Hormonstörungen die Fortpflanzung von Heuschrecken hemmen könnten – eine langfristige Perspektive mit ethischen Debatten.

  • „Climate-Smart Agriculture“: Neue landwirtschaftliche Ansätze – widerstandsfähige Sorten, Mischkulturen, Agroforst – können dazu beitragen, das Risiko zu streuen und das System robuster zu machen.

Die Plage von morgen beginnt heute

Der Klimawandel verstärkt Heuschreckenplagen in Bezug auf Häufigkeit, Ausbreitung und Intensität. Während die Bedrohung in der Vergangenheit lokal war, wird sie zunehmend globaler. Regionen, die bislang kaum betroffen waren, müssen sich auf neue Risiken einstellen. Entscheidend sind Frühwarnsysteme, Forschung und internationale Zusammenarbeit – aber auch eine Landwirtschaft, die den Klimabedingungen der Zukunft standhält.

Denn klar ist: Wer heute keine resilienten Systeme schafft, wird morgen die Rechnung zahlen!

Zwischen Mythos und Realität – Heuschrecken in der Kultur

Heuschrecken sind nicht nur biologische Wesen oder landwirtschaftliche Schädlinge, sondern auch tief im kulturellen Gedächtnis der Menschheit verankert. Seit Jahrtausenden symbolisieren sie Angst und göttliche Strafe, aber auch Transformation und Widerstandskraft. In Religion, Literatur, Kunst und Popkultur tauchen sie immer wieder auf, oft als Projektionsfläche für das, was der Mensch nicht kontrollieren kann. Heute kommen neue Deutungen hinzu: die Heuschrecke als nachhaltige Proteinquelle, als Bestandteil moderner Ernährung und als Herausforderung für ein ethisches Umdenken.

Symbolik in Religion und Literatur – Die Heuschrecke als Sinnbild des Untergangs

In der Bibel ist die Heuschrecke eine der zehn ägyptischen Plagen. Sie folgt auf den Hagel und wird als zerstörerische Macht beschrieben, die das Land verwüstet und den Menschen die Kontrolle entreißt. Diese Darstellung hat sich tief eingeprägt – in Sprache, Metaphern und Bildern. Noch heute wird der Begriff "Heuschreckenplage" im übertragenen Sinn verwendet, etwa für Finanzinvestoren, die als "Raubheuschrecken" ganze Unternehmen "kahlfressen".

In der islamischen Überlieferung gilt die Heuschrecke als Zeichen Allahs, das nicht nur eine Strafe, sondern auch eine Prüfung sein kann. Hadithe berichten von Schwärmen, die als Warnung oder Weckruf zu verstehen sind.

Auch in asiatischen Kulturen finden sich symbolische Bedeutungen:

  • In der chinesischen Mythologie steht die Heuschrecke (besonders die Grille) für Wiedergeburt und Langlebigkeit.

  • In der japanischen Kultur wird ihr Zirpen mit Melancholie, Herbst und Vergänglichkeit assoziiert.

In der modernen Literatur und Science-Fiction dient die Heuschrecke oft als Metapher für kollektive Bedrohungen oder unkontrollierbare Systeme. Beispiele hierfür sind Ray Bradburys „There Will Come Soft Rains“ oder dystopische Videospiele, in denen Insektenschwärme ganze Zivilisationen überrennen.

Kurz gesagt: Die Heuschrecke steht seit jeher für mehr als nur Insektenbefall. Sie ist ein Symbol für Naturgewalten, die sich nicht zähmen lassen – und für die Konsequenzen menschlicher Hybris.

Heuschrecken als Nahrungsmittel – Vom Schreckbild zur Proteinquelle

So ironisch es klingen mag: In vielen Teilen der Welt sind Heuschrecken kein Symbol des Mangels, sondern ein fester Bestandteil des Speiseplans. In Afrika, Asien und Lateinamerika werden sie geröstet, frittiert, getrocknet oder zu Pulver verarbeitet und gelten als schmackhafte und nahrhafte Delikatesse.

Warum Heuschrecken essen?

  • Hoher Proteingehalt (bis zu 70 %)

  • Reich an Eisen, Zink, Vitamin B12

  • Nachhaltige Zucht möglich mit minimalem Wasser- und Flächenverbrauch

  • Kaum Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Fleischproduktion

Die Welternährungsorganisation (FAO) empfiehlt bereits seit Jahren, Insekten zu essen, um die globale Ernährungssicherheit zu verbessern. In Europa sind seit Kurzem mehrere Heuschreckenprodukte als „neuartige Lebensmittel“ zugelassen, darunter Heuschreckenmehl sowie Snacks und Proteinriegel.

Akzeptanz und kulturelle Barrieren

In westlichen Ländern stößt der Verzehr von Insekten noch auf Skepsis, die oft aus Ekel oder Gewohnheit resultiert. Doch vor allem bei jungen, umweltbewussten Konsumenten wächst das Interesse. In Großstädten wie Berlin, Amsterdam oder London eröffnen regelmäßig Start-ups, die auf Insektenprodukte setzen.

Gleichzeitig entsteht hier ein Spannungsfeld: Während Heuschrecken im globalen Süden existenzbedrohende Plagegeister sind, gelten sie im globalen Norden als Trendfood. Dieser Widerspruch macht deutlich, wie stark unser Blick auf Natur und Nahrung von Kultur geprägt ist.

Heuschrecken in Kunst, Film und Popkultur – Angstlust trifft Ästhetik

Die visuelle Darstellung von Heuschrecken in Kunst und Film ist oft ambivalent: Einerseits gelten sie als Symbol für Übermacht, Chaos oder Vergänglichkeit, andererseits aber auch für Wandel und Anpassungsfähigkeit.

  • In Horror- und Katastrophenfilmen tauchen sie als Schwärme auf, die Städte überfluten und die Zivilisation kollabieren lassen – etwa in "The Swarm" (1978) oder "Locusts: The 8th Plague" (2005).

  • In der zeitgenössischen Kunst werden sie oft in Installationen verwendet, um den Konflikt zwischen Mensch und Natur zu thematisieren – etwa als Sinnbild für Ressourcenverschwendung oder Konsumverhalten.

  • In der Musik tauchen sie in Songtexten als Sinnbild für innere Leere oder gesellschaftlichen Zerfall auf – insbesondere im Metal- oder Industrial-Genre.

Spannend ist, dass Heuschrecken dabei oft nicht konkret gezeigt, sondern nur als Geräusch, Schatten oder Bewegung dargestellt werden. So stehen sie für das Unheimliche, das sich unaufhaltsam nähert.

Zwischen Schrecken und Chance – Ein neues Narrativ?

Die kulturelle Wahrnehmung der Heuschrecke steht heute an einem Wendepunkt. Einerseits bleibt sie ein Synonym für Verwüstung und Kontrollverlust. Andererseits wird sie zum Symbol einer möglichen Ernährungswende, zur nachhaltigen Ressource und zum Beispiel ökologischer Intelligenz.

Diese doppelte Deutung – zwischen Feindbild und Hoffnungsträger – eröffnet Raum für neue Narrative:

  • Wie erzählen wir von Krisen, ohne in Panik zu verfallen?

  • Wie können wir aus der Bedrohung eine Ressource machen?

  • Und was sagt unser Umgang mit Heuschrecken über uns selbst aus – über unsere Ängste, Werte und Zukunftsbilder?

Die Heuschrecke als Spiegel unserer Gesellschaft

Ob als biblische Plage, als Proteinquelle oder als Motiv in der Popkultur – die Heuschrecke ist weit mehr als nur ein Insekt. Sie spiegelt wider, wie wir mit der Natur umgehen, wie wir auf Krisen reagieren und wie stark Kultur und Biologie miteinander verwoben sind. Zwischen Mythos und Realität bleibt sie stets dasselbe: ein Stachel im Bewusstsein der Menschheit – unbequem, faszinierend und immer wieder aktuell.

Die Plage als Warnsignal

Die Heuschreckenplage ist mehr als nur ein Naturereignis: Sie ist ein Spiegelbild unserer ökologischen und wirtschaftlichen Systeme. Ihre Ursachen sind menschengemacht, ihre Folgen global. Doch die Plage zeigt auch: Mit moderner Technologie, nachhaltiger Landwirtschaft und internationaler Kooperation lässt sich die Bedrohung eindämmen. Entscheidend ist, rechtzeitig zu handeln, bevor der Himmel schwarz wird.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Heuschreckenplage

Was ist eine Heuschreckenplage?
Eine Heuschreckenplage tritt auf, wenn sich Heuschrecken massenhaft vermehren, Schwärme bilden und großflächige Zerstörung von Pflanzen verursachen.

Wie gefährlich ist eine Heuschreckenplage für Menschen?
Heuschrecken greifen keine Menschen an, aber sie gefährden Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität, was indirekt große Risiken birgt.

Wo treten Heuschreckenplagen am häufigsten auf?
Vor allem in Ostafrika, dem Nahen Osten, Südasien und zunehmend auch in Teilen Lateinamerikas.

Wie lange dauert eine Heuschreckenplage?
Die Dauer variiert stark – von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten. Entscheidend sind Wetterbedingungen und Bekämpfungsmaßnahmen.

Kann man Heuschrecken essen?
Ja. In vielen Kulturen gelten sie als proteinreiche Nahrung. Allerdings ist bei Schwärmen aus Pestizid-bekämpften Gebieten Vorsicht geboten.

VGWort
Letzte Änderung vom 02.08.2025